- Wein: Weinbewertung — Wein als Kapitalanlage??
- Wein: Weinbewertung — Wein als Kapitalanlage??Dionysos hätte sich wohl nie träumen lassen, dass das kultisch-mythische Getränk Wein eines Tages zum Spekulationsobjekt von Renditejägern werden würde. Ein gepflegter Weinkeller galt zu allen Zeiten als Zeichen gehobener Lebensart, doch stand bis vor kurzem zumeist die Motivation dahinter, die edlen Tropfen zu gegebener Zeit selbst zu konsumieren, ausgewählten Gästen zu kredenzen oder sie bei gegebenem Anlass an geschätzte Personen zu verschenken. Ein neuer Trend besteht jedoch darin, Wein als Anlageobjekt zu kaufen. Viele Weine, von denen erwartet wird, dass sie sich zu »Jahrhundertweinen« entwickeln, gelangen gar nicht erst in den Weinhandel, sondern werden auf Börsen und Auktionen weiterveräußert. In der Tat ist mancher Connaisseur heute offenbar bereit, für eine Bouteille des Göttergetränks Preise im Wert von Eigentumswohnungen zu bezahlen. Der Eintrag im aktuellen »Guinness Buch der Rekorde«, dem zufolge im Dezember 1985 für eine Flasche des 1787er-Rotweins Château Lafite mit den Initialen des amerikanischen Präsidenten Thomas Jefferson 297 150 DM bezahlt wurden, ist inzwischen überholt: Durch die Presse ging kürzlich die Meldung, dass in dem britischen Auktionshaus Sotheby«s eine Flasche 1784er-Lafite für stolze 400 000 DM den Besitzer wechselte. Was zeichnet eigentlich derart hochpreisige Weinetiketten vor den unzähligen gewöhnlichen aus, die sich auf dem Markt tummeln?WeinbewertungenRenommee und Preis eines Weines kommen keineswegs nur aufgrund objektiver Kriterien zustande. Mindestens ebenso viel Einfluss hat das, was mit einem bestimmten Wein assoziiert wird, ein Gemisch aus Mythos und Prestige, dessen ökonomische Dynamik nach dem Schneeballeffekt funktioniert. Hiervon betroffen sind seit Anfang der 1990er-Jahre insbesondere Bordeauxweine, die eine Hausse wie nie zuvor erleben. Doch auch die Preise von Burgunder und Ribera-del-Duero-Weinen profitieren vom Run auf die Spitzenrotweine.Die Vielfalt des weltweiten Weinangebots ist mittlerweile selbst für Eingeweihte kaum noch überschaubar. Kein Wunder also, dass einige international anerkannte Fachleute zu »Weinpäpsten« avancieren konnten. Zu nennen sind hier neben dem altbekannten Duo Henri Gault und Christian Millau vor allem der Engländer Hugh Johnson, der seit Mitte der 1960er-Jahre den Ton angibt, und seit Anfang der 1990er-Jahre der amerikanische Weinkritiker Robert M. Parker Jr. Während sich Johnson neben einer Viersterneskala vor allem der klassischen Weinbenotung in Form von teilweise sehr blumigen und für den Laien kaum verständlichen Attributen bedient, führte Parker, der sich eines moderneren Schreibstils befleißigt, ein 50-bis-100-Punkte-System zur Benotung der Weine ein. Immerhin macht sich Johnson die Mühe, die verwendeten Fachbegriffe in einem Glossar genauer zu umschreiben. Das Element des Subjektiven offenbart sich hierbei allerdings recht häufig. Im Zusammenhang mit Wein muss dies aber nicht unbedingt ein Nachteil sein, denn, wie Johnson schreibt, »um der Persönlichkeit eines guten Weins wahrhaft gerecht zu werden, bedarf es des Poeten ebenso sehr wie des Gelehrten.« Parker ist um Objektivität bemüht, was sich auch darin zeigt, dass die Notengebung bei ihm durch eine Jury wechselnder Zusammensetzung erfolgt, sodass sich augenblickliche persönliche Präferenzen der Weinkoster in etwa herausmitteln. In den USA steht das Magazin »Wine Spectator« in direkter Konkurrenz zu Parkers Newsletter »The Wine Advocate«. Einen recht objektiven Ansatz zur Weinbeurteilung wählten Wissenschaftler der Universität von Kalifornien, die in Anlehnung an den bekannten Farbtonkreis einen Aromatonkreis entwickelten, nach dem Geschmack und Duft eines Weins eingeordnet werden. Dass sich diese Klassifikationsweise durchsetzen wird, ist allerdings zu bezweifeln.Objektive KriterienDie den Sinnen unmittelbar zugänglichen Charakteristika sind bei der Beurteilung eines Weines zweifellos wichtig, wenn auch nicht ganz zuverlässig. Doch es gibt auch eindeutig messbare Eigenschaften wie das spezifische Gewicht und den Gehalt an Säure, Zucker, Alkohol und Schwefel. Chemisch-analytisch lässt sich weiterhin nach den verschiedenen Säure-, Zucker- und Alkoholarten sowie nach der Bindungsform von Säure und Schwefel unterscheiden. In Wein kommen Wein-, Apfel-, Zitronen-, Milch- und Essigsäure in freier Form sowie als Mineralsalze vor. Der Gehalt an freier Säure wird durch den pH-Wert, das heißt die Konzentration der Wasserstoffionen, gemessen. Die ersten drei genannten Säuren sind bereits in den Trauben vorhanden, die beiden letzten entstehen erst durch bakterielle Einwirkung bei der Weinbereitung; in geringer Menge sind sie im Wein erwünscht. Bei den Zuckern herrscht im Traubensaft Glucose neben Fructose und geringen Mengen anderer Zucker vor. Fructose und Glucose sowie manche andere Zuckerarten werden durch Hefebakterien zu Alkohol (vorwiegend Äthanol) vergoren. Einige höhere (längerkettige) Alkohole, die Fuselöle, werden in geringer Menge ebenfalls bei der Gärung gebildet. Sie sind schlecht bekömmlich und eine der Ursachen für »Katerstimmung« nach dem Genuss von minderwertigem Wein. Ihre Bildung lässt sich durch die Verwendung edler Rebsorten und eine geeignete Gärführung weitgehend vermeiden. Ein unvergärbarer, von Natur aus im Wein enthaltener Süßstoff ist das Glycerin.Um unerwünschte enzymatische oder bakterielle Prozesse zu unterdrücken und um geschmacksschädigendes Acetaldehyd zu binden, das bei der Gärung entsteht, wird in verschiedenen Stadien der Weinbereitung Schwefel in Form von Schwefeldioxidlösung (schwefliger Säure) zugesetzt. Ein Teil des Schwefeldioxids verbindet sich mit Zucker und wird dabei inaktiviert. Je mehr organische Säure vorhanden ist, desto weniger Schwefel wird benötigt. Der Schwefelgehalt eines Weins kann leicht gemessen werden.Die Dichte von Traubensaft und Wein in Gramm pro Kubikzentimeter ist ein Maß für den Zuckergehalt; sie nimmt bei der Gärung mit steigendem Alkoholgehalt ab. Daher spricht man auch anstelle der Dichte von Alkoholpotenzial. Die meisten Länder haben ihr eigenes System zum Messen des Zuckergehaltes, auch Reifegrad oder Mostgewicht genannt. In deutschsprachigen Ländern bevorzugt man »Grad Öchsle«, in Frankreich »Baumé« und in den USA »Brix«. Der nach abgeschlossener oder künstlich gestoppter Gärung im Wein verbleibende Zucker heißt Restzucker. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Säure und Süße liegt in einem Wein vor, in dem auf je 10 Grad Öchsle 0,1 % freie Säure kommen.Der tatsächliche Alkoholgehalt wird auf dem Etikett in Volumenprozent, manchmal auch (gleichbedeutend) in Grad (hier nicht Öchsle!), angegeben. Dabei entspricht ein Vol.-% einem Gehalt von acht Gramm Äthanol pro Liter.Rebsorten und WeingesetzeNicht alle Traubensorten gedeihen überall gleich gut, ihre Erträge hängen vielmehr in Menge und Qualität stark von Boden und Klima ab. Daher sind einzelne Rebsorten typisch für die Anbauregionen und -lagen, in denen sie besonders gut gedeihen oder entwickelt wurden; häufig sind die Namen der Rebsorten zu Synonymen dieser Lagen geworden.Die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (EU) geltenden Weingesetze legen unter anderem die Anforderungen an die Rebsortenauswahl, den Anbauplatz, die Bodenbeschaffenheit und den Alkoholgehalt fest. In den Anbaugebieten der Neuen Welt hingegen herrscht diesbezüglich völlige Freiheit. Dennoch beginnen die europäischen Regeln und Qualitätsnormen auch in anderen Ländern Fuß zu fassen. Dies gilt in allen Punkten bis auf die Rebsortenauswahl. Umgekehrt nimmt das Interesse an »nicht zugelassenen« Rebsorten in Europa zu, obwohl dies nach geltendem Recht zur »Deklassierung« der betreffenden Weine führt. Die Verhältnisse scheinen sich somit weltweit einander anzugleichen. Die Weingesetze der EU sollen die landesweit gültigen Weingesetze der Mitgliedsstaaten ersetzen und haben eine größere Transparenz und damit bessere Information der Käufer zum Ziel.Grundsätzlich unterscheidet man Amerikaner- und Europäerreben. Letztere gehen auf die Traubenart Vitis vinifera zurück, die selbst wiederum von der eurasischen Wildrebe Vitis sylvestris abstammt. Von Vitis vinifera gibt es schätzungsweise fünftausend Unterarten, wovon etwa eintausend für die Weinherstellung verwendet werden, von denen wiederum nur rund 50 von größerer wirtschaftlicher Bedeutung sind. Einige Beispiele sind:— Airén — spanische Rebsorte— Aligoté — ertragreiche Weißweinrebe— Carignan — sehr ertragreiche, milde, rote Sorte— Chardonnay — weiße Traubenart, ursprünglich aus Burgund— Gamay (Beaujolais) — leichter Rotwein— Gewürztraminer (Traminer) — aromatische Weißweinsorte— Grenache (Garnacha) — farbkräftige Rotweinsorte— Malbec (Côt, Pressac,) — Rotweinrebe ursprünglich aus Bordeaux— Merlot — klassische Rotweinrebe aus Bordeaux— Mourvèdre — Rotweinrebe von der südlichen Rhône, rauchiger Geschmack— Müller-Thurgau — ertragreiche Rieslingvariante, leichter Weißwein— Muskateller (Muscat), sehr alte, zuckerreiche Weißweinrebe,— Petit Verdot — Rotweinrebe aus Bordeaux— Pinot Meunier (Schwarzriesling) — kräftig gefärbter, samtiger Rotwein— Pinot Noir (Spät- oder Blauer Burgunder) — klassische Burgunder Rotweinrebe— Retsina — geharzter griechischer Weißwein (selten Rosé)— Riesling — klassische weiße Moselrebe, wenig ertragreich— Rkatsiteli — alte georgische (Kaukasus) Rebsorte (weiß)— Sangiovese — italienische Rotweinrebe zur Erzeugung von Chianti— Sauvignon Blanc (Fumé Blanc) — aromatischer Weißwein— Silvaner — ertragreiche, säurearme Weißweinsorte— Syrah (Shiraz) — herbe Rotweintraube von der Rhône— Tempranillo (Cencibel) — spanische Rotweinrebe— Trebbiano (Ugni Blanc) — weltweit ertragreichste Weißweinrebe, mittlere Qualität— Trollinger (in Südtirol Groß-Vernatsch, ital. Schiava Grossa) — spät reifende Rotweinrebe, ertragreich, höhere Qualität nur bei kleineren Erträgen— Welschriesling — urtümliche Weißweinrebe, hat nichts mit Riesling zu tunUnter Amerikanerreben versteht man Rebarten amerikanischen Ursprungs wie Vitis berlandieri, V. labrusca, V. riparia, V. rupestris. Aus ihnen bereitete Weine zeichnen sich durch einen stark aromatischen, im Amerikanischen »foxy« genannten Geschmack aus. Ein Beispiel ist Zinfandel, eine kalifornische Rotweintraube.Amerikanerreben sind resistent gegen Rebläuse und einige Pilze und werden daher als Unterlagen bei der Herstellung von Pfropfreben europäischer Arten verwendet.Der Deutlichkeit halber sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass man auch aus dunklen Trauben Weißwein herstellen kann. Rosé nimmt bei dieser Herstellungsweise eine Mittelstellung ein.Was sagen Etiketten aus?Weinliebhaber sagen den preistreibenden Spekulanten gerne nach, dass sie nicht für den Wein, sondern für das Etikett bezahlen. Wie dem auch sei, ein Weinetikett ist in den meisten Fällen ein recht gutes Kaufkriterium. Die Angaben auf einem Etikett unterscheiden sich nach den jeweiligen Vorschriften oder Gepflogenheiten des Erzeugerlandes und der Rebanbauregion.In Frankreich bietet die Angabe der Appellation (d«Origine) Contrôlée (AC) eine Garantie für Herkunft, Erzeugungsmethode, Rebsorte und Produktionsmenge, aber nicht notwendigerweise immer auch für die Qualität. Die Anbaulage wird je nach Weinsorte als Domaine, Cru, Côte, Coteaux, Château, Clos oder Climat bezeichnet und oft durch Zusätze wie Grand oder Premier weitercharakterisiert. Die nächste wichtige Angabe ist der Name des Erzeugers oder Abfüllers sowie der Jahrgang. Vins Délimités de Qualité Supérieure (VDQS) gehören zu einer Kategorie von Weinen, die den Erfordernissen der AC nicht genügen, doch sind diese Etiketten im Verschwinden begriffen. Eine relativ neue Klasse stellen die Vins de Pays (Landweine) dar. Keinen besonderen Bestimmungen über Herkunft und Traubensorte unterliegen die Vins de Table (Tafelweine) oder Vins ordinaires (gewöhnliche Weine). Ob dem Most, aus dem ein französischer Wein hergestellt wurde, Zucker beigegeben wurde, lässt sich am Etikett nicht erkennen.Deutschland und SchweizIn Deutschland gibt es eine ähnliche Unterteilung. Auch hier stellen die Tafelweine die unterste Qualitätsstufe dar, gefolgt von den Landweinen, deren Trauben besser ausgereift sein müssen. Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete (QbA) gehört zur Mittelklasse. Bei den Qualitätsstufen bis zur QbA ist davon auszugehen, dass der Most vor der Gärung mit Zucker angereichert wurde. Anders aber liegt der Fall bei den Qualitätsweinen mit Prädikat (QmP), deren Trauben bereits selbst genügend Zucker enthalten. Diese Spitzenklasse untergliedert sich — nach steigendem natürlichen Zuckergehalt geordnet — in Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein. Im Unterschied zu Frankreich hat ein deutscher Winzer oder Händler Freiheiten bei der Angabe der Lage. Er kann entweder nur den recht unpräzisen Bereichsnamen angeben oder die bereits genauere Großlage oder sogar die Einzellage, was als ein Hinweis auf höhere Qualität zu werten ist.In der Schweiz gibt es noch keine einheitliche Appellation Contrôlée; die Weine tragen vielmehr Sammelnamen je nach den Weingebieten, aus denen sie stammen.Italien und weitere europäische AnbauländerDie italienische Klassifizierung reicht vom Vino da Tavola (wiederum Tafelwein) über den IGT (Indicazione Geografica Tipica) und den DOC (Denominazione di Origine Controllata) bis zum DOCG (Denominazione di Origine Controllata e Garantita). Nur bei DOC(G)-Weinen darf der Name der Einzellage (vigna: der Weinberg) angegeben werden, wobei die Herkunft amtlich garantiert ist. Der Vigna-Wein stellt somit die Spitzenkategorie dar.In Spanien und Portugal spielen Markennamen eine größere Rolle als amtlich sanktionierte Rangfolgen. Ungewöhnlich ist hier, dass bei Riojas verschiedene Jahrgänge miteinander verschnitten werden, um eine gleichmäßigere Qualität zu wahren.Ebenfalls kaum einer staatlichen Qualitätsregelung unterliegen Weine aus Österreich, Südosteuropa und der Türkei.Weine aus ÜberseeVon den Weinen der USA genießen besonders die kalifornischen Sorten hohes Ansehen. Ende der 1980er-Jahre wurden auch hier Appellationsgebiete eingeführt, die dem Käufer eine Orientierung bezüglich des örtlichen Produktionsstils geben sollen.Zu den derzeit international am meisten im Trend liegenden Weinen gehören die australischen, neuseeländischen und südafrikanischen. Während in den beiden ersten Fällen keine amtlich festgelegten Qualitätsklassen existieren, sind in Südafrika »wines of origin« definiert.Welches der zahllosen Etiketten zum Kultstatus erhoben wird, darüber entscheiden in erster Linie die Weinpäpste.Wer sich vor dem Weinkauf lieber selbst einen Eindruck verschaffen möchte, der sollte an einer Degustation oder Verkostung teilnehmen, einfacher auch Weinprobe genannt. Diese kann verschiedene Zielrichtungen haben: Bei einer Vertikalprobe wird der gleiche Wein aus verschiedenen Jahren verkostet, eine Horizontalprobe hingegen kann Weine aus der gleichen Region, gleiche Rebsorten aus verschiedenen Anbaugebieten oder Weine einer Qualitätsstufe beziehungsweise eines Jahrgangs zum Gegenstand des Vergleichs haben.Bei jeder Weinprobe gilt es, einige Regeln zu beachten. Es empfiehlt sich, dazu einige gute Freunde oder Bekannte mitzubringen, da es aufschlussreich sein kann, deren Meinungen miteinander zu vergleichen. Ein absoluter Fauxpas ist es, bei der Degustation Düfte wie zum Beispiel Parfüm oder Aftershave zu tragen, welche die feinen Nuancen des Weines leicht übertönen. In der Lokalität sollten eine ausreichende Beleuchtung, gute Ventilation und angenehme Temperatur herrschen. Tageslicht und ein weißes Tischtuch sind von Vorteil zur Begutachtung der Farbe des Weines; künstliche Lichtquellen können täuschen. Insbesondere ist von einer Weinprobe im kerzenbeleuchteten Fasskeller abzuraten, so romantisch das auch wirken mag. Die beste Zeit zur Verkostung von Wein ist etwa zwei Stunden nach dem Aufstehen oder nach dem Frühstück. Dann nämlich sind die Sinne am empfindlichsten, und die Konzentrationsfähigkeit ist am höchsten. Andererseits spricht für eine abendliche Weinprobe, dass dies die Zeit ist, zu der auch sonst am ehesten Wein getrunken wird. Die Probe sollte jedoch nicht direkt nach einem reichhaltigen Essen stattfinden, da die Konzentrationsfähigkeit dann stark vermindert ist. Doch auch mit knurrendem Magen ist eine Verkostung nur erschwert möglich, da die Konzentration dann ebenfalls schwer fällt und außerdem der Alkohol sofort ins Blut geht.Ein umstrittenes Thema ist die Frage der Gläser. Allgemein gilt jedoch, dass alle Probenteilnehmer aus gleichartigen Gläsern verkosten sollten. Die Glasform hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie stark die einzelnen Aromengruppen im Duft und auch im Geschmack erscheinen. Das Glas sollte weder gefärbt noch geschliffen oder in einer anderen Weise dekoriert sein. Ein tulpenförmiges Glas, welches sich nach oben verjüngt, konzentriert die Aromen, sodass sie besser zu erkennen sind. Das Glas sollte kristallklar sein und etwa zu einem Drittel bis einem Viertel gefüllt werden, damit man die Farbe gut erkennen kann. So hat man auch die Möglichkeit, intensiv in das Glas hineinzuriechen. Die Gläser sollten nicht nur sauber, sondern auch frei von Eigengerüchen sein. Es empfiehlt sich in jedem Falle vorsorglich das Glas zu »vinieren«, das heißt, man schwenkt es zuerst mit einer Portion des zu verkostenden Weins aus. Grundsätzlich sollte man darauf achten, leichte Weine vor schweren, also auch Weiße vor Roten, zu probieren, da die Geschmacksnerven sonst die Feinheiten weniger gut erfassen können. Ebenso sind trockene Weine vor den Süßen und Jungweine vor den Alten zu verkosten. Ein weniger geübter Degustator sollte sich auf maximal ein Dutzend Weine beschränken. Die Proben werden nur im Ausnahmefall wirklich getrunken, sondern vielmehr in bereitstehende Sektkühler oder andere Gefäße gespuckt.Um die Zunge und den Gaumen am Anfang einer Weinprobe »weingrün« zu machen, also auf die anstehenden Weine vorzubereiten, sollte ein Begrüßungsglas vorweg verkostet werden, welches außer Konkurrenz steht. Die Geschmacksnerven müssen erst einmal von den Aromen befreit werden, die sich im Laufe des Tages angesammelt haben. Zur Beruhigung der Geschmacksnerven sollte man im Verlauf der Degustation ab und zu ein möglichst geschmacksneutrales stilles Mineralwasser und gegebenenfalls Brot (Baguette) zu sich nehmen. Käse, Salzgebäck oder gar Süßspeisen haben auf einer Weinprobe nichts verloren, es sei denn, man sucht Wein zu einem bestimmten Essen.TrinktemperaturenEine wichtige Rolle kommt der Temperatur des Weines zu. Zum Konsumieren sollten leichte Weißweine und Schaumweine oder Cavas bei 8—10 ºC, Roséweine und kräftige Weißweine bei 10—13 ºC, leichte Rotweine bei 14—16 ºC und große, kraftvolle Rotweine bei 17—19 ºC serviert werden. An heißen Tagen sollte man die angegebenen Temperaturen eher unterschreiten, da der Wein im Glas schnell wärmer wird; und an kalten Tagen sowie zum Verkosten tut man gut daran, sich eher an den oberen Wert zu halten. Die Proben sollten zuvor schonend, das heißt allmählich, auf die richtige Temperatur gebracht werden, und sie müssen vor der Verkostung Zeit gehabt haben, sich vom Transport zu beruhigen. Besonders wenn man ältere Rotweine verkostet, ist dies sehr wichtig, damit sich das Depot wieder setzen kann. Zur Verkostung sollten die Flaschen aufrecht stehen. Um sich nicht von Etiketten beeinflussen zu lassen, sollte man »blind«, also mit verdeckten Etiketten verkosten, wobei die Weine zur Unterscheidung nummeriert sind. Da es sehr schwer ist, sich genau zu merken, welche Geschmackseindrücke auf welchen Wein zutreffen, sollte man sich Notizen machen. Es gibt viele Methoden, seine Geschmackseindrücke festzuhalten. Der Verkoster kann jedes einzelne Aroma notieren oder nur die besonders auffälligen. Wichtig ist dabei auch die Harmonie der Geschmacksnuancen. Zur Protokollierung des Gesamteindrucks kann man Punkte vergeben. Ohne weitere Angaben hat dies aber unter Umständen den Nachteil, dass man später nicht mehr weiß, wieso einem ein bestimmter Wein so gut oder auch nicht so gut geschmeckt hat. Am sinnvollsten ist eine Kombination aus Punkt- und deskriptiver Bewertung.Wein als Kapitalanlage ist eine originelle Idee und es konnte sich — wie die letzten Jahre zeigten — dieses Konzept weltweit in vielen gut situierten Kreisen, insbesondere in Asien und Russland, etablieren. Dass es jedoch mit einigen Unwägbarkeiten verbunden ist, zeigt schon das Beispiel des eingangs erwähnten Château Lafite aus dem Weinkeller von Thomas Jefferson: Nur wenige Monate nachdem die Flasche für stolze 297 150 DM den Besitzer gewechselt hatte, zerfiel der Korken und der Wein verdarb. Während dies für »Otto Normalverkoster« eine gewisse Genugtuung darstellen mag, sollte der Fall allen potenziellen Weininvestoren eine Warnung sein — kein Wein hält sich ewig, und wenn der Zeitpunkt der Trinkreife gekommen ist, empfiehlt sich der baldige Konsum, wie teuer das Fläschchen auch gewesen sein mag. Wohl bekomms!Emile Peynaud: Die Hohe Schule für Weinkenner. Aus dem Französischen. Cham 21995.Hans Ambrosi und Ingo Swoboda: Wein richtig genießen lernen. Einführung in die Weinsensorik. Neudruck Niedernhausen 1998.Stuart Pigott: Die führenden Winzer und Spitzenweine Deutschlands. Aus dem Englischen. Düsseldorf 31998.Jancis Robinson: Jancis Robinsons Weinkurs. Aus dem Englischen. Bern 31998.Jancis Robinson: Rebsorten und ihre Weine. Aus dem Englischen. Bern 21998.Michael Broadbent: Weine prüfen, kennen, genießen. Aus dem Englischen. Bern 81999.Wilhelm Flitsch: Wein. Verstehen und genießen. Berlin 21999.Gault-Millau-WeinGuide Deutschland 2000. München 1999.Kurt Gibel: Weine degustieren, leicht & spielend. Bern 41999.Hugh Johnson: Der kleine Johnson für Weinkenner 2000. Aus dem Englischen. Bern 1999.Hugh Johnson: Der neue Weinatlas. Aus dem Englischen. Bern 301999.Mario Scheuermann: ie großen Weine des Jahrhunderts. Niedernhausen 1999.
Universal-Lexikon. 2012.